Rapsblüte 2015

Großes Rohstoffpotenzial sichert auch zukünftig Nachschub für Teller, Trog und Tank

Rapsbluete_2015_Mobilitaet_549.jpg

Berlin, 20. April 2015 – Es ist soweit. In Deutschland blüht in diesen Tagen auf rund 1,3 Millionen Hektar der Raps in seiner ganzen gelben Pracht. Als wichtigste heimische Öl- und Eiweißpflanze hat er sich in den vergangenen 25 Jahren sowohl in der Ernährung von Mensch und Tier als auch ganz besonders als Rohstoff für die Herstellung von Biokraftstoff etabliert. Und auch in die europäische Politik hat es der Raps geschafft, denn auf der Agenda der Europapolitik stehen in diesen Wochen und Monaten neben den ganz großen Krisenthemen wie der Griechenlandpolitik auch weitreichende Entscheidungen für die zukünftige Energiepolitik. Gerade beim Thema Biokraftstoff geht es dabei derzeit für eine gesamte Branche um Sein oder Nichtsein. Nach Jahren, in denen die Biokraftstoffe mit Blick auf die Einsparung von Treibhausgasen politisch gefördert wurden, drohte in jüngster Zeit die Gefahr, dass Biodiesel und Bioethanol der Hahn zugedreht werden könnte. Eigentlich sollten erneuerbare Energien und hier vor allem Biokraftstoffe bis 2020 mindestens 10 Prozent der fossilen Energie ersetzen. Aber gerade dieses gut gemeinte Ziel hat Kritiker auf den Plan gerufen, die Biokraftstoffe für ganz unterschiedliche Probleme wie Landraub, Hunger, gestiegene Nahrungsmittelpreise sowie direkte und indirekte Landnutzungsänderungen, wie zum Beispiel Urwaldrodung, verantwortlich machen.

All diesen Kritikpunkten liegt die gemeinsame Annahme zugrunde, dass die Nutzung von Pflanzen für die Herstellung von Biokraftstoffen in extremer Konkurrenz zu ihrer Verwendung als Nahrungsmittel steht. Nach dem Motto: Was in den Tank geht, kann nicht satt machen. Das hört sich einfach an und hat auch Politiker verunsichert. Und das, obwohl es gerade in diesen Tagen neben der Einsparung von Treibhausgasen noch weitere gute Gründe gibt, Biokraftstoffe zu fördern. Denn angesichts der bedrohlichen Lage in Osteuropa sowie im Nahen und Mittleren Osten müssen wir uns von Erdöl und Erdgas aus diesen Regionen unabhängiger machen. Die Frage ist also: Gibt es die oben beschriebene Konkurrenz? Man kann die Frage auch anders stellen: Gibt es genügend Anbaufläche bzw. ein ausreichendes Rohstoffpotenzial, damit keine Konkurrenz aufkommt? Die Frage kann kurz und knapp mit „ja“ beantwortet werden. Für eine detaillierte Begründung muss jedoch etwas weiter ausgeholt werden.

2014 wurde weltweit die enorme Menge von 2,46 Mrd. Tonnen Getreide (inkl. Reis) geerntet. Gleichzeitig betrugen die Lagerbestände 431 Mio. Tonnen. Und das trotz der Nutzung von Getreide für die Ethanolproduktion. Bei Ölsaaten sieht es ähnlich aus. Lediglich 5 bis 8 Prozent der weltweiten Raps-, Soja- und Sonnenblumenernte von 521 Mio. Tonnen wurden für die Biokraftstoffproduktion verwendet. Es gibt theoretisch also keinen Grund, warum für die Biokraftstoffproduktion zusätzliche Flächen benötigt würden. Selbst wenn der Bedarf an Getreide und Pflanzenöl drastisch ansteigen würde, gäbe es noch genügend ungenutzte Anbauflächen in Europa, Afrika und Südamerika. Dies zeigt eine Vielzahl von Studien. Allein in Osteuropa stehen über 12 Mio. Hektar zur Verfügung, die derzeit ungenutzt sind. Das entspricht der gesamten deutschen Ackerfläche.

Eine erschreckende Zahl und gleichzeitig ein enormes Potenzial sind die 1 Mrd. Tonnen Lebensmittel bzw. Nahrungsmittelrohstoffe, die den Teller gar nicht erreichen. Verantwortlich dafür sind ineffiziente Erntemethoden, regional hohe Lagerungsverluste durch Schimmel und Schädlingsbefall und hohe Transportverluste. Allein in Deutschland werden jährlich ca. 11 Mio. Tonnen Lebensmittel auf dem Müll „entsorgt“ – das entspricht ca. 4 bis 5 Mio. Hektar Ackerfläche.

Es gibt also ein sehr großes Rohstoffpotenzial für die Produktion von Biokraftstoffen. Und dennoch gibt es Regenwaldrodungen und Hunger auf der Welt. So schön es auch wäre, diese Probleme allein durch ein Verbot von Biokraftstoffen zu lösen, so wenig würde dies bringen. Die eigentlichen Gründe sind nämlich viel komplexer und kurzfristig kaum zu lösen. In vielen Entwicklungsländern sind Regierungen an der Macht, die die Bedürfnisse, insbesondere der ländlichen Regionen, vernachlässigen. Korruption, Kriege, mangelhafte Verwaltung und fehlende Infrastrukturen führen in vielen dieser Regionen fast zwangsläufig zu Armut und Hunger. Biokraftstoffe könnten hier sogar Impulsgeber für neue Einkommensperspektiven in ländlichen Räumen sein, unter anderem auch als Beitrag für die lokale Energieversorgung. Mit neuen bzw. züchterisch weiterentwickelten Pflanzen, die an die regionalen Standortbedingungen angepasst sind, könnten auch ackerbaulich bisher nicht genutzte Flächen in diesen Ländern erschlossen werden.

Urwälder werden in Südamerika und Südostasien in erster Linie gerodet, um Weideflächen für Rinder und Anbauflächen für Öl- und Eiweißpflanzen zu schaffen, weil die weltweite Nachfrage nach Fleisch, aber auch nach Pflanzenöl, zum Beispiel für die chemische Industrie, enorm gestiegen ist. Für die Verwendung dieser Rohstoffe zur Herstellung von Biokraftstoffen gelten in der EU strenge Nachhaltigkeitskriterien. Für alle anderen Verwendungsbereiche jedoch nicht. Wenn man sieht, wie gering der Anteil der Erntemengen ist, die zu Biokraftstoffen verarbeitet werden, wird klar, dass durch einen Verzicht auf Biokraftstoffe in Europa Regenwaldrodungen in anderen Regionen der Erde auf keinen Fall verhindert werden könnten. Gleichzeitig würde jedoch der Bedarf an Erdöl steigen. Die Suche nach neuen fossilen Rohstoffquellen muss schon heute mit immensen Investitionssummen vorangetrieben werden. Dieser Aufwand wird zukünftig nicht geringer. Wenn nur ein kleiner Teil dieser Investitionen zur Förderung von Projekten zur nachhaltigen und umweltverträglichen Optimierung der Pflanzenproduktion eingesetzt würde, könnte das landwirtschaftliche Rohstoffpotenzial sogar noch weiter gesteigert werden. An dieser Stelle könnten die deutsche und die europäische Politik Weitsicht beweisen und die Forschung angemessener als bisher fördern. Dies käme letztlich allen Absatzmärkten zugute – egal, ob für Teller, Trog oder Tank.