Marktchancen von Biokraftstoffen für Non-Road Motoren
Potential für schnelle und nachhaltige Reduzierung von CO2-Emissionen
Rostock, 11. April 2018. Der Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren der Universität Rostock stellt sich seit Jahren der Herausforderung durch Forschungsarbeiten den Weg zum klimaneutralen Verbrennungsmotor zu beschreiben. Die Richtigkeit und Dringlichkeit der Klimaziele und die daraus resultierende Notwendigkeit der Treibhausgas(THG)-Reduzierung machen es erforderlich, dass alle bereits heute zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur CO2-Reduzierung konsequent genutzt werden. Insbesondere zertifizierte Bio-Kraftstoffe haben ein ganz erhebliches Potential durch ihren Einsatz THG-Einsparungen von bis zu 71% zu erzielen. Es gibt aktuell keine in diesem Umfang am Markt verfügbaren Kraftstoffe oder erneuerbare Energiequellen, um Kraftstoffe bzw. Antriebe und schließlich den Verkehr, einschließlich off-road-Anwendungen klimafreundlicher zu gestalten. Viele der aktuell im Zentrum der öffentlichen und politischen Debatte stehenden Lösungsansätze wie E-Mobilität und E-Fuels bieten ein enormes zukünftiges Potential, können aber weder heute noch in unmittelbarer Zukunft einen signifikanten Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten. Der Lehrstuhl bedauert daher, dass die generelle Notwendigkeit von kontinuierlichen Forschungsaktivitäten im Bereich von nachhaltigen Bio-Kraftstoffen immer wieder in Frage gestellt wird.
Im Rahmen der dringend erforderlichen zeitnah wirksamen und nachhaltigen Reduzierung von CO2-Emissionen sind kontinuierliche Forschungsarbeiten z. B. auf dem Gebiet des Einsatzes von Biodiesel in Landmaschinen aus mehreren Gründen notwendig:
Grundsätzlich besitzen Biokraftstoffe wie Biodiesel oder Rapsölkraftstoff eine dem fossilen Diesel vergleichbare Energiedichte und erfüllen damit die Anforderung nach dem Leistungsanspruch für Feldarbeiten. Die technische Schwelle für die Dekarbonisierung der off-road-Bereiche Land- und Forst- sowie der Bauwirtschaft ist im Vergleich zu anderen Alternativen niedrig.
Die Belastungsprofile für Industriemotoren für Landmaschinen und Baumaschinen unterscheiden sich erheblich von denen eines Straßenfahrzeuges. Es gibt wesentlich weniger mittlere Lasten, dafür mehr Volllast und Niedriglast. Die Eignung der Kombination aus Motor und Kraftstoff für dieses Belastungsprofil muss ermittelt und abgesichert werden.
Des Weiteren erfordern die strengeren Abgasnormen eine moderne, auf das System abgestimmte Abgasnachbehandlung (AGN). Das AGN-System für aktuelle Abgasstufe EU IV, bestehend aus DOC, DPF, SCR und ASC muss ebenfalls mit dem Kraftstoff und dem Belastungsprofil erprobt, die Einhaltung der Grenzwerte belegt und die Dauerhaltbarkeit abgesichert werden. Ein Schwerpunkt eines aktuell am Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren erfolgreich abgeschlossenen Forschungsprojektes war daher die Absicherung des AGN-Systems gegen Vergiftung der Katalysatoren durch im Kraftstoff enthaltene Bestandteile wie Phosphor, Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, usw. Um Ablagerungs- und Vergiftungsvorgänge exakt zu erfassen und fundiert zu beschreiben sind vertiefte wissenschaftliche Untersuchungen der Veränderungen an den aktiven Katalysatoroberflächen durchgeführt worden. Weiterhin sind kontinuierliche und aktive DPF-Regenerationen (CRT-Effekt / Stand Still Modi) für den neuen Kraftstoff belegt worden.
Diese Nachweise müssen für jede Motorgeneration sowie jeden genormten Kraftstoff neu erbracht werden. Für die nächste Abgasstufe EU V muss zusätzlich jeder Kraftstoff und somit auch Biodiesel und entsprechende Biodieselblends (z.B. B20/B30) getestet und hinsichtlich der Auswirkungen auf das Abgasnachbehandlungssystem und die Abgasemissionen im Life Cycle untersucht werden. Zusätzlich ist dann eine Typprüfung für jede Motorbaureihe erforderlich.
Die DEUTZ AG ist bereits seit vielen Jahren führend bei der Freigabe ihrer Industriemotoren für Biodiesel. So sind praktisch alle Baureihen ab Baujahr 1993 für den Einsatz von Biodiesel freigegeben. Es gibt eine Vielzahl von Projekten zur Nutzung von Biokraftstoffen in DEUTZ-Motoren ohne komplexe Abgasnachbehandlung in anderen Staaten wie z.B. Brasilien, die hinsichtlich ihrer Abgasgesetzgebung noch nicht den strengen Vorgaben wie in Europa folgen, aber dennoch im Rahmen der Verpflichtung des Klimavertrags von Paris das Treibhausgasminderungspotential dieser Kraftstoffe nutzen wollen.
Die wesentliche Motivation für das Forschungsprojekt war die Auswirkung von Biodiesel auf die Abgasnachbehandlung, die aufgrund der sehr strengen Abgasgesetzgebung für mobile Arbeitsmaschinen nun wie bei Nutzfahrzeugen auch verpflichtend ist. DEUTZ hat aufgrund der Ergebnisse in Rostock nun als erster Hersteller seine Landmaschinen- und Industriemotoren der aktuell anzuwendenden Abgasstufe EU IV für Biodiesel freigegeben. Andere große Motorenhersteller halten sich damit zurzeit zurück. So hat zum Beispiel die Firma CNH Industrial auf der Tagung „Kraftstoffe der Zukunft“ Bedenken bezüglich Vergiftungserscheinungen des Abgasnachbehandlungssystems und damit noch keine Freigabe für Biodiesel erteilt. Diese Problematik konnte im Rahmen des Projekts widerlegt werden. Der Lehrstuhl bedankt sich daher ausdrücklich beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, der UFOP e.V. und der AGQM e.V. für die Förderung dieses Forschungsprojekts und vorangegangener Projekte.
Der Vorteil bei der Nutzung von Biodiesel ist, dass dieser im Gegensatz zu vielen anderen alternativen Kraftstoffen bereits genormt ist. Außerdem ist Biodiesel europaweit in großen Mengen verfügbar und aufgrund seines Flammpunkts von über 55 °C einfach und sicher zu handhaben. Durch die AGQM konnte gezeigt werden, dass die Biodieselqualität in Deutschland auf sehr hohem Niveau ist. Daher können die Ergebnisse des Projektes sehr zeitnah (vor 2020) zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen. Europäischer Biodiesel hat eine zertifizierte THG-Minderung von 71% gegenüber fossilem Dieselkraftstoff und ist damit die aktuell effektivste verfügbare Lösung zur Senkung der THG-Emissionen.
Prof. Dr.-Ing. Bert Buchholz
Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren
Universität Rostock