Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft – Branchenvertreter diskutierten Rahmenbedingungen für die Markteinführung

Berlin, 5. Dezember 2013 – Es gibt gute Gründe, die Verwendung von Biokraftstoffen in der Land- und Forstwirtschaft mit einem Marktanreizprogramm voran zu treiben. Darin waren sich die Experten und Teilnehmer anlässlich der vom Deutschen Bauernverband (DBV), Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen, (UFOP) und Bundesverband dezentraler Ölmühlen und Pflanzenöltechnik (BDOel) sowie dem Technologie und Förderzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ, Straubing), gemeinsam ausgerichteten Fachtagung am 29.11.2013 in Berlin grundsätzlich einig. Ein Anstoß, die Markteinführung von Biodiesel und Rapsölkraftstoff zu fördern, kommt von der Marktseite: Auf absehbare Zeit wird der Pflanzenölmarkt durch einen rückläufigen Biodiesel- und damit Pflanzenölbedarf in der Europäischen Union unter einem Preisdruck stehen und dies bei tendenziell festen bis steigenden Dieselpreisen. Für die Initiative zur Markteinführung sprechen auch die motortechnischen Entwicklungen von „Multifuel-Motoren“, vorgestellt an den Beispielen der Deutz AG und John Deere. Einig waren sich die Experten in der abschließenden Podiumsrunde, dass aus den Erfahrungen des 100-Schlepperprogramms gelernt werden und dass eine schrittweise, stetige Markteinführung von für Biodiesel und Rapsölkraftstoff geeigneten Maschinen erreicht werden müsse. Vor diesem Hintergrund erneuerten die Verbände ihre Forderung zur Schaffung eines 10.000-Schlepperprogramms, um den Biokraftstoffeinsatz in der Land- und Forstwirtschaft voran zu treiben und zugleich die Landmaschinenindustrie zu motivieren, die Motorenentwicklung für Kraftstofffreigaben fortzuführen.

Fachtagung_Diskussion_291113_300.jpg

Die Vorträge der Marktexperten Claus Keller, F.O. Licht, und Wienke von Schenck, AMI, machten deutlich, dass der marktstrukturelle Überschuss im Pflanzenölmarkt bis auf weiteres das Preis- bzw. Marktgeschehen bestimmen wird. Keller erläuterte in seinem Vortrag, dass Staaten wie Argentinien und Indonesien deshalb inzwischen versuchen, durch die Anpassung innerstaatlicher Quotenverpflichtungen den Pflanzenöl- bzw. Biodieselüberschuss in heimische Dieselmärkte zu lenken. Hintergrund sind die weltweit stark gestiegenen Biodieselproduktionskapazitäten bei gleichzeitig rückläufigem Biodieselverbrauch in der Europäischen Union. Diese Entwicklung werde nicht zuletzt dadurch verstärkt, dass Biokraftstoffe aus Abfallölen schrittweise in allen Mitgliedstaaten für die Doppelanrechnung auf die Quotenverpflichtung eingeführt werden. 

Vor diesem Hintergrund macht von Schenck wenig Hoffnung, dass die Ölsaaten- bzw. Rapsölpreise besonders stark steigen werden. Schließlich ist das Erntejahr 2013 von Rekordernten bei Raps in Europa und Kanada sowie bei Soja in Nord- und Südamerika geprägt.

Fachtagung_Podiumsdiskussion_291113_300.jpg

Aus Sicht der Landwirtschaft ist daher die Verwendung von Biokraftstoffen in Form von Biodiesel oder Rapsölkraftstoff eine zurzeit auch wirtschaftliche Alternative zum Einsatz von Agrardiesel und damit auch eine ökonomisch wichtige Option für die Landwirtschaft. Ronny Winkelmann, Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe, stellte vor diesem Hintergrund die langjährigen und umfangreichen Förderaktivitäten der Agentur vor. Diese umfassen nicht nur Projekte zur Motorentwicklung, Umrüstung und Qualitätssicherung von Rapsölkraftstoff, sondern auch die finanzielle Unterstützung der Bioenergieberatung, die aus fördertechnischen Gründen allerdings eingestellt werden musste.

An diesem Konzept der Rapsölkraftstoffnutzung hält nach wie vor das Bayerische Staatsministerium für Landwirtschaft fest. Dr. Edgar Remmele, Technologie und Förderzentrum für Nachwachsende Rohstoffe, Straubing, erläuterte rückblickend den Werdegang der Rapsölkraftstoffentwicklung. Neben der motortechnischen Anpassung, einschließlich des Nachweises zur Erfüllung der emissionsrechtlichen Anforderungen, stand parallel die Entwicklung der Rapsölkraftstoffnorm und die Qualitätssicherung bei der Rapsölproduktion und in der Distribution im Mittelpunkt der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Im Sinne der Beibehaltung der Vorreiterrolle und zu Demonstrationszwecken, betreiben die bayerischen Landesanstalten bis heute einen Teil der Schlepperflotte mit Rapsölkraftstoff. Dr. Remmele stellte Befundungsergebnisse verschiedener Motorentypen und Laufzeiten vor, die die gute Motorverträglichkeit bestätigten.

Markus Winkler von der DEUTZ AG und Prof. Dr. Peter Pickel, JOHN DEERE, erläuterten die motortechnischen  Anforderungen an die Kraftstoffqualität für einen störungsfreien Betrieb mit Biodiesel oder Rapsölkraftstoff. Beide Referenten betonten, dass auch mit Biodiesel und Rapsölkraftstoff die höchsten emissionsrechtlichen Anforderungen erfüllbar seien. Die Referenten unterstrichen, dass die motortechnischen Voraussetzungen zwar geschaffen seien, es jedoch entsprechender Anreize bedürfe für eine Markteinführung der entsprechenden Motorentypen. Hier wurde an die negativen Erfahrungen bei der Markteinführung von Pflanzenölmotoren erinnert. Die Motortechnik sei bereitgestellt worden, die gewünschte Kundennachfrage sei jedoch ausgeblieben, kritisierten beide Referenten. Die Realisierung von Aggregaten, die sowohl mit Biodiesel und Rapsölkraftstoff als auch mit Diesel betrieben werden können, erfordern einen technischen Mehraufwand. Die Teilnehmer waren sich daher einig, dass es eines finanziellen Anreizes für die entsprechende Ausrichtung der Neuinvestitionen in die Landmaschinentechnik bedarf. Für JOHN DEERE bleibt die Entwicklung jedoch bei Biokraftstoffen nicht stehen. Prof. Pickel erläuterte die aktuellen Visionen und Entwicklungskonzepte des Unternehmens zur Nutzung von erneuerbaren Strom. Der „Landwirt als Energiewirt“ für die innerbetriebliche Verwertung von flüssigen Kraftstoffen und Strom aus Biogas- oder Fotovoltaikanlagen laute das Credo der Zukunft, das John Deere in der Sonderausstellung „nature.tec“ zur Internationalen Grünen Woche 2014 vorstellen wird.

Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des DBV, unterstrich für den Berufsstand unter Hinweis auf die stark wettbewerbsverzerrende Kraftstoffbesteuerung in der Europäischen Union, an der Agrardieselrückvergütung in jetziger Form festhalten zu müssen. Nichts desto trotz könnte mit einer Vereinfachung des Rückerstattungsverfahrens auch die wirtschaftliche Attraktivität von Biodiesel und Rapsölkraftstoff erhöht werden. Dazu müsste der unmittelbare energiesteuerfreie Bezug der Biokraftstoffe ermöglicht werden. Dadurch könnte das Steuererstattungsverfahren im Sinne der Entbürokratisierung bzw. Entlastung der Verwaltung entfallen, bzw. auf ein Mindestmaß reduziert werden. Zugleich bedeute diese Erleichterung eine erhebliche Verbesserung der Liquidität für die betroffenen Betriebe, betonte Hemmerling.

Unter Bezug auf den aktuellen Stand der Überlegungen zur Anpassung der EU-Biokraftstoffpolitik im EU-Ministerrat bekräftigte Stephan Arens, Geschäftsführer der UFOP, erneut die strikt ablehnende Position der Landwirtschaft zur Frage der Einführung sogenannter „iLUC-Faktoren“. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Kommission Treibhausgas-Maluswerte zu Lasten des hierzulande aus Rapsöl hergestellten Biodiesels einführen wolle, obwohl das Washingtoner International Food Policy Research Institute (IFPRI) selbst seine den Berechnungen zugrunde liegenden Studienergebnisse als Grundlage für eine Rechtssetzung in Frage gestellt und dies sogar gegenüber dem Europäischen Parlament erklärt habe. Andererseits verfolge die EU-Kommission offenbar eine auf Abfällen basierende Biokraftstoffstrategie aufbauen zu wollen, da daraus hergestellte Biokraftstoffe mehrfach auf die Quotenverpflichtung angerechnet werden sollen. Das EU-Ziel eines Anteils von 10 Prozent erneuerbarer Energien im Transportsektor ab 2020 soll auf diese Weise schön gerechnet werden, kritisierte der UFOP-Geschäftsführer. Das Europäische Parlament und der Rat seien jetzt vielmehr gefordert, in Anlehnung an das Grünbuch der Kommission für eine Energiepolitik bis 2030, eine Perspektive für Biokraftstoffe über das Jahr 2020 hinaus vorzugeben. Die UFOP begrüße daher sehr, dass die Bundesregierung dieses Datum in die Beratungen eingebracht habe. Am 12. Dezember entscheidet der Energieministerrat über das Verhandlungsmandat für das anstehende Trilogverfahren zwischen Kommission, Parlament und Rat.

Einvernehmlich sprachen sich die Veranstalter im Rahmen der abschließenden Podiumsdiskussion für die Schaffung einer Branchenplattform aus, um unter Einbeziehung der Landmaschinenindustrie die erforderliche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit abzustimmen und zu koordinieren.

In der Diskussion mit den Tagungsteilnehmern wurden noch einmal die positiven wie negativen Erfahrungen im Rahmen des damaligen 100-Schlepperprogramms aus 2001 diskutiert, um schließlich hieraus den Handlungsrahmen für die zukünftige Markteinführung von Biokraftstoffen abzuleiten. Aus der Vergangenheit müsse gelernt werden und Fehler dürften nicht wiederholt werden, bekräftigten die Podiumsteilnehmer einvernehmlich.

Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass die Markteinführung schrittweise und mit einem langen Atem begleitet werden müsse. Ausgangspunkt müsse ein zeitlich befristetes und zugleich auch für die Landmaschinenindustrie unterstützendes Marktanreizprogramm sein. 

Die Vorträge der Biokraftstofffachtagung stehen hier zur Verfügung.