UFOP-Praxisinformation – Einsatz von Glycerin in der Fütterung
Einsatz von Glycerin in der Fütterung
Autoren:
Stellungnahme des DLG-Arbeitskreises Futter und Fütterung
Erstauflage 2009
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Einführung
Glycerin wird seit einigen Jahren zunehmend als Futtermittel angeboten. Ursächlich dafür ist eine ansteigende Produktion von Biodiesel hauptsächlich aus Raps, bei der Glycerin als Nebenprodukt anfällt. Da der Einsatz von Glycerin als Komponente in Futterrationen noch vergleichsweise neu ist und auf dem Futtermittelmarkt angebotene Partien sich qualitativ erheblich unterscheiden, soll nachfolgend der Futterwert von Glycerin näher beschrieben werden.
Was ist Glycerin?
Glycerin (synonym Glycerol, chemisch 1, 2, 3-Propantriol) ist ein dreiwertiger Alkohol. Es ist ein Grundbestandteil aller Fette (Triglyceride). Fette und Öle stellen chemisch Glycerinester höherer Fettsäuren dar. Der Glycerinanteil in Fetten/Ölen ist je nach Art des Fettes unterschiedlich. In Rapsöl beträgt er etwa 10 %.
Glycerin wurde früher überwiegend aus der Fettverseifung gewonnen. Heute entstammt es hauptsächlich der petrochemischen Industrie (Verwendung für technische Zwecke und die Herstellung von Kosmetika) und der Biodieselherstellung.
Welche Qualitäten gibt es am Futtermittelmarkt?
Glycerin wird sowohl als Reinglycerin als auch als Rohglycerin angeboten. Während bei Reinglycerin der Glyceringehalt über 98 % liegt, kann der Glyceringehalt im Rohglycerin deutlich darunter liegen.
Futtermittelrechtlich ist Glycerin je nach Zweckbestimmung sowohl als technologischer Futterzusatzstoff als auch als Einzelfuttermittel ohne Tierart- oder Mengenbegrenzung einsetzbar.
Die Positivliste für Einzelfuttermittel fordert bei Reinglycerin (Nr. 12.07.02) einen Glyceringehalt von mindestens 99 %, bei Rohglycerin (Nr. 12.07.03) von mindestens 80 %.
Ferner darf nach Positivliste Glycerin nur dann für Futterzwecke genutzt werden, wenn es ausschließlich aus pflanzlichen Ölen und Fetten gewonnen wurde. Für Rohglycerin wird außerdem gefordert, dass es höchstens 0,2 % Methanol enthält.
Von Bedeutung für die Qualität sind neben dem Glyceringehalt auch die Gehalte an Wasser, Rohasche, Natrium und Kalium. Je nach Herstellungsprozess können insbesondere höhere Natriumgehalte bzw. Kaliumgehalte auftreten.
Darüber hinaus können geringe Anteile von freien Fettsäuren und Fetten sowie restlichem organischem Material (MONG = material organic non glycerol, ca. < 1 %) enthalten sein.
Insbesondere bei Analysen von Rohglycerin fällt häufig auf, dass die bestimmten Gehalte an Glycerin, Wasser und Rohasche keine 100 % ergeben und somit eine Restfraktion enthalten ist, deren stoffliche Natur derzeit noch ungenügend geklärt ist.
Aufgrund der schwankenden Zusammensetzung von Glycerin fordert die Positivliste Einzelfuttermittel vom Inverkehrbringer die Angabe folgender Inhaltsstoffe: Glycerin, Wasser, Chlorid berechnet als Natriumchlorid, wenn der Gehalt > 1 % bzw. Kalium, als Kaliumsulfat wenn der Gehalt > 1 % der Trockenmasse ist. Weitere Angaben zur Herstellung und zum Produkt selbst sollen in einem Datenblatt beschrieben und auf Wunsch dem Käufer ausgehändigt werden.
Charakterisierung des Futterwertes
Glycerin hat als Futtermittel nahezu ausschließlich die Funktion eines Energielieferanten. Der Energiegehalt von Rohglycerin wird vom Glyceringehalt bestimmt. Obwohl Glycerin Bestandteil von Fetten ist, liegt der Energiegehalt aufgrund des höheren Oxidationsgrades deutlich niedriger und entspricht nahezu dem von reiner Stärke.
Der Bruttoenergiegehalt von Reinglycerin liegt bei 18,1 MJ.
Einsatz in der Fütterung
Die Höhe des Einsatzes von Glycerin in Futterrationen wird wie bei Futtermitteln allgemein maßgeblich von seiner Preiswürdigkeit bestimmt. Darüber hinaus sollten die nachfolgenden Aussagen berücksichtigt werden.
Wiederkäuer
Glycerin wird aus den Vormagen absorbiert oder zu Propion- und teilweise Buttersäure fermentiert. Somit kann die Verfütterung von Glycerin die Energiezufuhr erhöhen.
Unter Maßgabe der Einhaltung der Qualitätsanforderungen (s. Tabelle 1) scheint beim Wiederkäuer eine Verfütterung von Rohglycerin bis zu Anteilen von 5 % der Ration ohne Nachteile möglich. Höhere Rationsanteile sollten nur bei gleichzeitig stärkearmen Rationen in Betracht gezogen werden, da bei kombinierter Verfütterung höherer Stärke- und Glycerinanteile in der Ration die energetische Ausnutzung der Ration sinkt und die Gefahr einer Pansenacidose steigt.
Nach Untersuchungen von Haese et al. 2009 scheint Glycerin zur Ketoseprophylaxe wenig geeignet, da – bei an die Glycerinzufuhr adaptierten Wiederkäuern – aus dem Glycerin fermentativ im Pansen hohe Butyratanteile entstehen.
Schweine und Geflügel
Bisherige Untersuchungsergebnisse beim Schwein und Geflügel zeigen für Glycerin einen deutlichen Rückgang der Umsetzbaren Energie mit steigendem Anteil in der Ration, wobei der Effekt beim Schwein drastischer ausfällt als beim Geflügel. Dies wird damit begründet, dass die intermediäre Verwertung von Glycerin offenbar begrenzt ist.
Es empfiehlt sich daher nicht, in Schweine- und Geflügelrationen den Reinglycerinanteil wesentlich über 5 % hinaus anzuheben.
Weitere Gesichtspunkte zum Einsatz von Glycerin
Reinglycerin ist farblos und von süssem Geschmack, der sich positiv auf die Futteraufnahme auswirken kann. Rohglycerin ist dagegen häufig von brauner Farbe oder weist andere Farbschattierungen auf. Es ist bisher nicht möglich, von der Farbe, dem pH-Wert (6-8) oder der Dichte (ca. 1,25 kg/Liter) direkt auf die Qualität zu schlussfolgern. Der süsse Geschmack wird im Rohglycerin bei höheren Salzgehalten überdeckt. Sofern das Rohglycerin höhere Gehalte an Kaliumverbindungen (Kaliumsulfat) aufweist, herrscht ein bitterer Geschmack vor, wodurch die Futteraufnahme beeinträchtigt werden kann.
Die Aufnahme von Glycerin insbesondere von Rohglycerin mit höheren Salzgehalten erhöht die Wasseraufnahme der Tiere, was bei Glycerinmengen von u¨ber 10 % in der Ration durchaus stoffwechselbelastend wirkt. Ferner wird dadurch die Güllemenge erhöht. Neben der ausreichenden Wasserbereitstellung sollte der Natriumchlorid-Gehalt des Mineralfutters beachtet werden.
Wird Glycerin auf dem landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt, ist besonders auf möglichst gleichmäßige Einmischung (z. B. Futtermischwagen) zu achten. Hierfür sind Flüssigdosieranlagen besonders geeignet. Stehen diese nicht zur Verfügung, empfiehlt sich eine Zuteilung per Gießkanne über das Konzentratfutter bevor dieses gemischt wird.
Glycerin hat neben dem eigentlichen Futterwert einige technologische Eigenschaften, die in der Futterwirtschaft zu berücksichtigen sind:
• Glycerin zieht Feuchtigkeit an. Daher erfordern Futtermischungen mit höheren Glycerinanteilen ein trockenes Lagerklima. Ist dies gewährleistet, wirkt Glycerin stabilisierend auf den Feuchtegehalt des Futters.
• Glycerin ist wasserlöslich.
• Glycerin ist gut mit Futtermitteln mischbar.
• Mischungen mit mehr als 5 % Glycerin tendieren jedoch zu Verfestigungen und Anhaftungen an Silowänden.
• Die Pelletfestigkeit kann mit Glycerin erhöht werden (# weniger Abrieb).
• Die Fließ- und Pumpfähigkeit von Glycerin nimmt mit sinkender Temperatur ab. Bei Rohglycerin mit > 80 % Glycerin kann die Entnahme und Einmischung bei < 5°C zu Problemen führen. Eine Verdünnung mit Wasser auf einen Glyceringehalt von 70-75 % kann die Handhabung von Glycerin unter solchen Bedingungen wieder herstellen.
Analytik
Landwirten, die Glycerin verfüttern, kann in jedem Falle empfohlen werden, von zugekauften Partien den Wassergehalt bestimmen zu lassen. Hilfreich kann darüber hinaus eine Geschmacksprobe (süss, salzig, bitter) sein.
Der Glyceringehalt in Rohglycerin sowie in Mischfutter oder Futterrationen sollte nach VDLUFA-Methode gaschromatographisch (GC FID) erfolgen.
Glycerin erzeugt im Hohenheimer Futterwerttest eine geringere Gasbildung als reine Stärke. Sie beträgt im Normalfall, wenn der Pansensaft von Spendertieren stammt, die nicht an eine Glycerinaufnahme adaptiert waren, ca. 50 ml/200 mg TM. Bei Adaptation der Spendertiere entstehen aus der in vitro Fermentation von Glycerin ca. 55 ml Gas. Reine Stärke erzeugt dagegen ca. 80 ml/200 mg TM.
Milchleistungsfutter, bei denen ein Teil der enthaltenen Stärke gegen Glycerin ausgetauscht wurde, werden nach der Schätzgleichung auf Basis der Gasbildung (GfE 2009) tendenziell etwas unterschätzt. Bei Anwendung der Schätzgleichung auf Basis der enzymlöslichen organischen Substanz (ELOS) ist diese Unterschätzung weniger ausgeprägt, da der Regressionskoeffizient für den Stärkegehalt geringer ist und die Gasbildung hierbei nicht berücksichtigt wird.
Mischfutter für Schweine mit Glycerinanteilen bis 5 % werden nach der Schätzgleichung (GFE 2008) energetisch weitgehend korrekt bewertet, da der Unterschied zwischen den Regressionskoeffizienten von Stärke und dem Organischen Rest (dem Glycerin analytisch zugeschlagen wird) vergleichsweise gering ist.
Mischfutter für Geflügel werden dagegen nach der Schätzformel (GfE 1999) mit zunehmendem Glycerinanteil bis 5 % energetisch deutlich unterbewertet.
Weiterführende Literatur
• Bartelt, J. und D. Schneider, 2002: Untersuchungen zum energetischen Futterwert von Glycerol in der Fütterung von Geflügel und Schweinen. In: Glycerin in der Tierernährung. UFOP-Schriften 17
• Eckl, Eva, H. Steingaß und W. Drochner, 2008: Energetische Bewertung von Glycerin beim Wiederkäuer. Proc. Soc. Nutr. Physiology 17, 126
• VDLUFA, 2008: Bestimmung von Glycerin in Futtermitteln und Rohglycerin, VDLUFA Methodenbuch III, Nr. 14.25.1
• Haese, E., G. Kneer, H. Steingaß und W. Drochner, 2009: Untersuchungen zur ruminalen Fermentation von Glycerin in vivo und in vitro. VDLUFA Schriftenreihe 64 im Druck.
Bearbeitet von:
Dr. Jörg Bartelt, Cuxhaven
Dr. Felix Bommer, Elmshorn
Thomas Engelhard, Iden
Luise Hagemann, Teltow-Ruhlsdorf
Dr. Walter Staudacher, Frankfurt am Main (federfu¨hrend)
Dr. Herbert Steingaß, Stuttgart-Hohenheim
Prof. Dr. Karl-Heinz Su¨dekum, Bonn
Prof. Dr. Andreas Susenbeth, Kiel
Dr. Jürgen Weiß, Kassel
Kontakt:
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