Agrarpolitische Neuorientierung der Europäischen Union - Konsequenzen für die Wettbewerbsstellung des Anbaus von Öl- und Eiweißpflanzen
- Zusammenfassung -
Die Ausgangslage
1. Der Raps führt die Rangfolge der Wirtschaftlichkeit heute auf vielen Standorten an. Vergleichend nebeneinander gestellt wurden dabei sechs Anbauregionen, die sich im Ertragspotenzial und in der Relation der Erträge der beteiligten Kulturen unterscheiden. Oberer Randpunkt ist die Anbauregion I (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern/Küste) mit einem ausgesprochen hohen Ertragspotenzial und einer besonderen Vorzüglichkeit für den Anbau von Raps und Getreide. Unterer Randpunkt ist die Anbauregion VI (Brandenburg, Niedersachsen/Region IV) mit einem insgesamt schwachen Ertragspotenzial und relativen Stärken für den Anbau von Mais. - Eine ungefährdete, auch gegenüber stärkeren Änderungen im Preisgefüge stabile Wettbewerbsstellung liegt vor allem auf ausgesprochenen Gunstlagen für den Rapsanbau (Anbauregion I) vor. Auf allen anderen Standorten sind die beiden hauptsächlichen Konkurrenten, Winterweizen und Körnermais, nahezu gleich rentabel bzw. sogar wettbewerbsstärker. Die vor der Agenda 2000 bestehende unangefochtene Spitzenstellung hat der Raps also eingebüßt.
Erbsen fallen in der Rentabilität gegenüber den konkurrierenden Hauptkulturen des Ackerbaus stark ab. Sie sind auch unter für sie günstigen Bedingungen allenfalls im Mittelfeld positioniert. Auf den besten Raps-Getreide Standorten fallen sie gegenüber Weizen und Raps zurück. Auf den besten Getreide-Mais Standorten sind sie nicht so konkurrenzstark wie Raps und Mais. Wesentliche Gründe hierfür sind Naturalerträge, die auf dem Niveau von Raps liegen, in Verbindung mit Preisen, die kaum mehr als halb so hoch sind. Auch die zugeordneten positiven Fruchtfolgeeffekte lassen diese Aussage unberührt.
Gerste ist auf allen Standorten wettbewerbsschwächer als Weizen. Selbst auf den für sie besten Standorten bewegt sie sich nur auf einem mittleren Wirtschaftlichkeitsniveau.
2. Das Betriebssystem Marktfruchtbau mit Raps als tragendem Pfeiler ist besonders konkurrenzfähig, wenn drei Faktoren zusammentreffen - eine hohe Eigenrentabilität von Raps, eine hohe Rentabilität der Begleitkulturen der Fruchtfolge und ein agrarpolitisch bevorzugter Standort.
Ausgezeichnete Bedingungen findet der Raps vor diesem Hintergrund vor allem in Schleswig-Holstein und in manchen Prämiengebieten Niedersachsens; dort treffen alle drei Faktoren zu.
Sehr gute Verhältnisse sind unter anderem in den Küstengebieten Mecklenburg-Vorpommerns, in Nordrhein-Westfalen und in Mitteldeutschland gegeben. Dort sind wie in Mecklenburg-Vorpommern entweder zwei Voraussetzungen erfüllt - eine hohe Eigenrentabilität und eine hohe Rentabilität der Begleitkulturen, aber agrarpolitisch ungünstige Bedingungen. Oder es ist wie in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Bedingung vollständig und zwei Bedingungen sind teilweise erfüllt - eine hohe Eigenrentabilität von Raps trifft hier mit einer mittleren bis hohen Rentabilität der Begleitkulturen und durchschnittlichen bis guten agrarpolitischen Umständen zusammen.
Mittlere bis gute Bedingungen findet der Raps u.a. in den küstenfernen Gebieten Mecklenburg-Vorpommerns, in Brandenburg, auf schwächeren Standorten in Niedersachsen, in vielen Gebieten Bayerns und Baden-Württembergs vor. Die Eigenrentabilität des Rapses ist dort niedriger, die Rentabilität der Begleitkulturen ist deutlich schwächer und die agrarpolitischen Bedingungen sind unterhalb des Durchschnitts einzustufen.
Für Erbsen sind nach diesem Muster in keinem Fall ausgezeichnete Bedingungen gegeben. Gute bis sehr gute Verhältnisse liegen in Teilen Nordrhein-Westfalens und Mitteldeutschlands vor. Zwar erreichen Erbsen stets keine herausragende Eigenrentabilität. Aber sie stehen in diesen Regionen an der Seite wettbewerbsstarker Begleitkulturen, das agrarpolitische Umfeld ist durchschnittlich bis gut (Sachsen), und sie können sich in manchen Bezirken (Anbauregionen III und IV) mit einer mittleren bis hohen Eigenrentabilität behaupten.
Niveau und Entwicklung der Naturalerträge
3. Die für die Analyse ausgewählten Bundesländer verzeichneten im Prüfzeitraum (1996 bis 2001) bei Raps im Durchschnitt ein Ertragsniveau von 32,8 dt/ha. Der mittlere Ertragszuwachs belief sich auf 1,7 dt/ha. Die entsprechenden Werte für Weizen waren 74,6 und 0,7 dt/ha, diejenigen für Mais 86,4 und 1,7 dt/ha. Aufgeschlüsselt nach Bundesländern ist festzustellen: Bei diesen drei Kulturen ist ein regional hohes oder niedriges Ertragsniveau nicht Ausdruck für Tendenzen in der Ertragsentwicklung. Hohe Ertragsniveaus von Raps fallen sowohl mit niedrigen (Nordrhein-Westfalen) als auch mit hohen Ertragsfortschritten (Mecklenburg-Vorpommern) zusammen, niedrige Ertragsniveaus treffen sowohl auf hohe (Brandenburg) als auch auf niedrige (Bayern)Ertragsfortschritte.
Auf diesen Befund abgestimmt werden die Ertragsszenarien für Raps, Weizen und Mais festgelegt. Standorte mit hohem und mit eher niedrigem Ertragsniveau werden sowohl mit hohen als auch mit niedrigen Ertragsfortschritten kombiniert. Die Ertragsszenarien sind Grundlage für die Bestimmung künftig erwarteter und notwendiger Ertragsrelationen.
4. Bei Abgrenzung nach Bundesländern fallen in Bezug auf die Erträge von Raps und Weizen zwei Tatbestände ins Auge. So hängt, einerseits, das Niveau der Erträge relativ eng zusammen. Länder mit hohen Weizenerträgen haben im Allgemeinen auch hohe Rapserträge. Andererseits ist der Zusammenhang zwischen den Ertragsfortschritten von Raps und Weizen nicht sehr ausgeprägt. Einige Länder haben hohe Ertragsfortschritte bei Raps und geringe bei Weizen, in anderen ist gerade das Gegenteil der Fall.
Mit Blick auf die Ertragsebenen von Raps und Weizen auf der einen Seite und Mais auf der anderen Seite lassen sich drei charakteristische Kulturräume voneinander abgrenzen. Die norddeutschen Regionen mit relativ hohen Erträgen von Raps und Weizen. Die süddeutschen Regionen mit vergleichsweise hohen Erträgen von Mais. Und als Besonderheit, drittens, die ostmittel- und westmitteldeutschen Regionen mit ausgesprochen ausgeglichenen Ertragsprofilen von Raps, Weizen und Mais.
Notwendige, tatsächliche und erwartete Ertragsrelationen
5. Die Ausgangslage: Raps ist im Vergleich zu Weizen konkurrenzgleich, wenn er 45 v.H. der Naturalerträge von Weizen erreicht. Das gilt heute und im Durchschnitt aller Standorte. Tatsächlich kann Raps jedoch 50 v.H. der Naturalerträge von Weizen realisieren. Er ist also ausgesprochen konkurrenzstark. Das Gleiche gilt in Bezug auf Gerste, nur in verstärkter Form.
Die Wettbewerbsstellung gegenüber Mais ist vergleichbar. Notwendig ist ein Relativertrag von 42 v.H., erreicht werden 46 v.H. Bezogen auf Mais sind die regionalen Unterschiede allerdings ausgeprägter. Auf den norddeutschen Vorzugslagen von Raps ist der Vorsprung eindeutig. Im ostmittel- und westmitteldeutschen Raum ist Mais annähernd wettbewerbsgleich.
Erbsen müssen, um wettbewerbsgleich zu sein, 67 v.H. der Erträge von Weizen erzielen. Erreicht werden allerdings nur 63 v.H. Im Durchschnitt der Regionen sind Erbsen somit weder gegenüber Weizen noch gegenüber Mais wettbewerbsfähig.
6. In einem Prognosezeitraum von 10 Jahren sind für alle Kulturen Ertragsfortschritte zu erwarten. Die Ertragsfortschritte stärken die Konkurrenzfähigkeit von Raps. Das zur Konkurrenzgleichheit zwischen Raps und Weizen notwendige Ertragsniveau sinkt von 45 auf 44 v.H. Zugleich steigt das erwartete Ertragsniveau von 50 auf 52 v.H. an. Die gleiche Tendenz zeichnet sich für die Wettbewerbsbeziehung zwischen Raps und Mais ab. Das notwendige Ertragsniveau geht von 42 auf 41 v.H. zurück, gleichzeitig steigt das erwartete Ertragsniveau von 46 auf 47 v.H. an. Der Sicherheitsabstand wird also größer. Eine Ursache für diese Entwicklung ist die für Raps vorteilhafte Relation der Produktpreise. Eine zweite Ursache ist die auch bei vorsichtiger Prognose erwartete günstige Entwicklung der Naturalerträge.
Spiegelbildlich dazu steigt das notwendige Ertragspotenzial von Erbsen im Verhältnis zu Weizen von 67 auf 69 v.H. an, während das erwartete Ertragspotenzial von 63 auf 62 v.H. sinkt.
Die strategischen technologischen Trends stärken die Stellung von Raps und schwächen die Stellung der Erbsen.
Notwendige, tatsächliche und erwartete Produktpreisrelationen
7. Die Ausgangslage: Raps ist im Verhältnis zu Weizen konkurrenzgleich, wenn sein Preisniveau das 1,91-fache desjenigen von Weizen beträgt. Das gilt heute und im Durchschnitt aller Standorte. Tatsächlich liegt das Verhältnis der Produktpreise mit 2,09 jedoch deutlich höher.
Eine ähnliche Situation herrscht im Verhältnis zu Mais vor. Notwendig wäre ein relatives Preisniveau von 1,95 - realisiert wird 2,09. - Die Erbsen sind im Vergleich dazu abgeschlagen. Sie müssten das 1,23-fache des Weizenpreises erzielen. Sie können jedoch nur das 1,13-fache realisieren.
8. Die Tendenzen in der Entwicklung der Erträge bekräftigen die zuvor gezeichnete Situation. Werden sowohl für Raps als auch für Weizen optimistische Ertragstrends zugrunde gelegt, sinkt das erforderliche Preisniveau von Raps im Verhältnis zu Weizen von 1,91 auf 1,81. Dasjenige von Raps im Verhältnis zu Mais von 1,95 auf 1,87. Der Weg bei Erbsen verläuft umgekehrt. Das erforderliche Preisverhältnis zwischen Erbsen und Weizen steigt von 1,23 auf 1,26 an.
9. Die Produktpreise bei Raps und Weizen nehmen eher einen nach oben gerichteten Fortgang; bei Erbsen, Mais und Gerste bleiben sie hingegen unverändert. Dies hat zur Folge, dass sich die erwartete Relation der Produktpreise zugunsten von Raps und Weizen und zuungunsten von Erbsen, Mais und Gerste verändert. Raps kann so zwei vorteilhaften Tendenzen entgegen sehen - einem Rückgang der notwendigen Produktpreise und einem Anstieg der erwarteten Produktpreise. - Für Erbsen gilt das Gegenteil. Die Anforderungen an das notwendige Preisniveau steigen, die Vermutungen über das erwartete Preisniveau signalisieren keine Auftriebseffekte.
Das politische Umfeld
10. Die Reform des agrarpolitischen Regelwerkes hat zur Folge, dass die Transferzahlungen in Zukunft von der Produktion entkoppelt sind. Zugleich sind spezielle Stützungs- und Transfermaßnahmen nicht mehr getrennt für einzelne Produktbereiche (Acker, Milch) sondern für den Sektor insgesamt in Augenschein zu nehmen. Fortan hängt alles mit allem zusammen. Zwei Folgen sind im Hinblick auf den Anbau Raps und Erbsen zu beachten. Zum einen haben die Transferzahlungen (Entkopplung) in Zukunft keinen Einfluss auf die Wettbewerbsstellung von Raps innerhalb des Betriebssystems Marktfruchtbau. Dies gilt, abgesehen von einem kleineren speziellen Anreiz, auch für den Anbau von Erbsen. Zum anderen modifizieren die Transferzahlungen je nach Ausgestaltung die Rentabilität des Betriebssystems Marktfruchtbau. Bei gegebener Eigenrentabilität von Raps und bei gegebener Rentabilität der Begleitkulturen der Fruchtfolge ergeben sich durch diesen Mechanismus auch Rückkopplungen für die Konkurrenzkraft von Raps und Erbsen (s. 12 bis 14).
11. Für das künftige agrarpolitische Umfeld ist eine hauptsächliche Strömung nicht zu übersehen. Die heute nach Produktbereichen (Acker, Milch, Fleisch) hoch differenzierten Stützungsmaßnahmen tendieren langfristig in Richtung einer einheitlichen Hektarprämie. Die langfristige politische Option ist es also, alle Prämien einheitlich auf alle Flächen zu verteilen, unabhängig von ihrem historischen Zustandekommen. Allerdings, und auch das ist zu beachten, bleiben in einem eventuell längeren Übergangszeitraum durchaus stärkere Differenzierungen durch die besondere Berücksichtigung von Milch- und Fleischprämienerhalten.
12. Politisch bedingte Vorteile für Erbsen können durch die neuen Grundsätze zur Förderung einer markt- und standortangepassten Produktion entstehen. Innerhalb dieses Rahmens sind unter anderem Maßnahmen zur Bereicherung der Fruchtfolge vorgesehen. So können unter bestimmten Voraussetzungen Beihilfen gezahlt werden, wenn ein festgelegter Mindestanteil von Leguminosen in der Fruchtfolge enthalten ist. Eine quantitative Einordnung dieser potenziellen Vorteile ist dann möglich, wenn die Ausführungsbestimmungen der Bundesländer vorliegen.
Rentabilität des Betriebssystems
13. Die Prämienzahlungen für das Betriebssystem Marktfruchtbau verändern sich durch den bergang zum neuen System in Abhängigkeit von dem Standort der Produktion und von der realisierten Politikvariante. Hier wird, mit Blick auf die zuvor gezeigten Tendenzen, zwischen zwei agrarpolitischen Szenarien unterschieden. In beiden Szenarien werden bundeseinheitlich alle Prämien auf alle Flächen verteilt, dem politischen Megatrend entsprechend. Das erste Szenario bezieht allerdings die Milchprämien nicht in die Verteilung ein; es ist eher als Übergangsszenario anzusehen. Das zweite Szenario berücksichtigt auch die Milchprämien; es ist das erwartete Langfristszenario. - Gemeinsames Merkmal beider Szenarien ist, dass die Betriebsergebnisse der Standorte nivelliert werden.
14. Die Betriebsergebnisse verschlechtern sich im ersten Szenario ohne Milch (Übergangsszenario)auf dem schwächsten Standort von 633 €/ha auf 622 €/ha, also nur geringfügig um 11 €/ha. Nun ist allerdings die Rentabilität des Betriebssystems auf diesen schwachen Standorten bereits vor Umsetzung der Reform stark gefährdet. Die Gefährdung wird durch den Systemwechsel nicht gemindert, sie wird erhöht. Wenn die agrarpolitische Ausrichtung auf längere Sicht unentschieden bleibt, also das bergangsszenario für einen längeren Zeitraum gilt, hat der Anbau von Raps und Erbsen auf solchen Standorten nur eingeschränkt Zukunft. Er hat nur eingeschränkt Zukunft, weil dann das Betriebssystem nur eingeschränkt Zukunft hat.
Zwar wird die Rentabilität auch auf den bevorzugten Standorten beeinträchtigt. So sinken die Hektarprämien auf dem besten Standort (Anbauregion I, Prämienregion Schleswig-Holstein) von 1017 €/ha auf 900 €/ha, also um nahezu 120 €/ha. Die Gefahr des Rückzuges aus der Produktion besteht dort allerdings kaum. Der Anbau von Raps und Erbsen hat dort auch in diesem ungünstigen Szenario Zukunft.
15. Im zweiten Szenario mit Milch (Langfristszenario) erhöhen sich die Prämienzahlungen im Vergleich zum ersten (Übergangs-) Szenario um 69 €/ha. Die Rentabilität des Betriebssystems wird demgemäß im Vergleich zum ungünstigen Szenario auf allen Standorten um 69 €/ha verbessert. Dadurch verbessern sich die Chancen von Betrieben auch auf schwächeren Standorten. In Vorzugslagen ist die Rentabilität des Marktfruchtbaus bereits heute sehr gut bis ausgezeichnet. Sie wird unter diesem Szenario auf dem besten Standort (Anbauregion I, Prämienregion Schleswig-Holstein) trotz Nivellierung der Ergebnisse gegenüber der Ausgangslage auch künftig kaum geschwächt. Sie wird auf manchen guten Standorten des Ackerbaus teilweise sogar weiter gefördert. Zu nennen sind die Anbauregion I in der Prämienregion Mecklenburg-Vorpommern oder die Anbauregion III in der Prämienregion Nordrhein-Westfalen - also gute Anbauregionen mit bislang eher niedrigen Prämienzahlungen.
Alles in allem ergeben sich dann auch gute Möglichkeiten für den Anbau von Erbsen, eingeschränkt durch ihre nur mittlere Eigenrentabilität, allerdings gefördert durch die Vorteile von Agrarumweltprogrammen. Sehr gute Bedingungen entstehen aber vor allem für den Anbau von Raps. Er hat eine hohe Eigenrentabilität, die Rentabilität der Begleitkulturen bleibt hoch und auch das Betriebssystem ist in dem erwarteten Langfristszenario nachhaltig stabil.
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